Das Internet bietet Händlern völlig neue Möglichkeiten in der Preisgestaltung. Online können Preise kontinuierlich und unmittelbar an Angebot und Nachfrage angepasst werden. Zugleich nutzen Onlineshops immer häufiger Informationen über das Recherche- und Kaufverhalten zur individuellen Bestimmung des jeweils optimalen Preises. Dabei muss dynamisches und individuelles Pricing nicht nur auf die optimale Ausnutzung der Preisbereitschaft abzielen. Die Erhöhung der absoluten Zahl der Shopbesuche, des Marktanteils, der individuellen Verweildauer im Shop, aber auch die Vermeidung eines Abwanderns preissensibler Kunden sind weitere einer Vielzahl möglicher Zielsetzungen einer „intelligenten“ Preisgestaltung.
Vor dem Hintergrund überrascht es nicht, dass derzeit Möglichkeiten getestet werden, dynamisches und individuelles Pricing auch im konventionellen Handel zu nutzen, sei es über elektronische Preisschilder oder Kundenkarten, die Informationen über das individuelle Kauf- und Preisverhalten enthalten. Andererseits sehen Verbraucherschützer die Entwicklung durchaus kritisch, allen voran der NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel von den Grünen, der schärfere Gesetze gegen individualisierte Preisgestaltung prüfen möchte.
Die Harris Interactive AG hat in einer aktuellen bevölkerungsrepräsentativen Studie 1.010 Bundesbürger zu ihren Einstellungen gegenüber einer dynamischen und individuellen Preisgestaltung befragt. Das Fazit: In der Konsumentenbewertung halten sich Akzeptanz und Ablehnung „intelligenter“ Preisgestaltung die Waage.
So finden 59% der Befragten individuelles Pricing rundheraus unfair und 49% schließen sich der Forderung nach einem generellen Verbot an. Andererseits würden 52% der Befragten in einem solchen Verbot eine Bestrafung derjenigen Konsumenten sehen, die Preise vergleichen, und immerhin ein Viertel von ihnen würden höhere Preise für Wohlhabende als ausgleichende Gerechtigkeit empfinden.
Der Zwiespalt in der generellen Bewertung dynamischen und individuellen Pricings spiegelt sich in der Akzeptanz konkreter Umsetzungsmaßnahmen wider: Die einzige Maßnahme, die zumindest durch die Hälfte der Befragten befürwortet wird, sind Preissenkungen für Produkte, die längere Zeit im Warenkorb eines Onlineshops gehalten werden. Bereits eine Bevorzugung vermutlich preissensibler Konsumenten durch selektive Preissenkungen stößt auf überwiegende Ablehnung. Eine optimale Ausnutzung individueller Preisbereitschaften würde nur noch jeder zehnte Befragte akzeptieren.
Die aus Konsumentensicht legitimen Motive einer „intelligenten“ Preisgestaltung sind dementsprechend begrenzt:
59% empfinden das Halten und 47% das Gewinnen preissensibler Kunden als akzeptable Zielsetzungen. Andere mögliche Motive des Handels werden überwiegend abgelehnt, selbst wenn sie wie die einer gleichmäßigeren Auslastung konventioneller Ladengeschäfte durch tageszeitabhängige Preise nicht unmittelbar profitorientiert sind.
Bei den persönlichen Konsequenzen einer „intelligenten“ Preisgestaltung zeigen sich die Befragten ebenfalls uneins: Einerseits denkt ein Drittel von ihnen, dass sie persönlich dadurch eher profitieren würden, andererseits geben ebenso viele Befragte an, dass sie Geschäfte mit individuellem Pricing boykottieren würden.
Angesichts dieser Ergebnisse und der durch die Politik aufgebrachten Frage nach Fairness und Gerechtigkeit empfiehlt sich für den Handel eine vorsichtige Annäherung an „intelligente“ Preisgestaltungsmaßnahmen. Ihre unmittelbaren Vorzüge aus Sicht des Handels liegen auf der Hand, ebenso sehr aber auch Gründe für ihre Ablehnung aus Konsumentensicht.
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